I.
Gegrüßt mir sei, gastfreie Stadt
am Sunde,
Thorwaldsens Heimath, Wittib
großer Ehren!
Du rufst und meiner Sehnsucht
Wimpel kehren
Den Curs dir zu. ´s ist
Sommermorgenstunde:
Jetzt völkerwanderst Du zum
Buchengrunde
Gen Dyrehaven, ja nicht zu
entbehren
Wettzfahrt, Gesang, Frühstückspapier-Entleeren,
Weithin den Strandweg flattert
davon Kunde.
Schön ist die Straße, deine
Kraft pulsiret
Hier froh behaglich durch
Villeggiaturen
Mit Bild und Spruch und Namen
ausgezieret.
Und drinnen schwörst du, was
die Väter schwuren,
Mit selgem Blick, der sich
auf’s Meer verlieret:
Dies Land, wie keins, trägt
Paradiesesspuren.
II.
Wohl bist du lieblich,
Seeland, wenn vom Thaue
Des Junimorgens deine Wälder
blitzen,
In Wahrheit Dome, küssend mit
den Spitzen
Die Ätherhöhn. Zu Füßen ihrem
Baue
Hinspült dein Meer, das
sonnentrunkne, blaue,
Der Moose Weichheit schwillt
zu Liebessitzen,
Die Tauben girren und durch
Blätteritzen
Fromm äugt das Hochwild:
„Seht, wie ich vertraue.“
Und wenn nun manchmal fernher
wie verloren
Ein Säuseln geht im Odemzug
der Brise,
Die durstig ward vom
Wellenschooß geboren,
Und wenn ein Segel, kaum
berührt durch diese,
Zum Nachen lockt aus
grünumflochtnen Thoren:
Wo leuchtet Pracht, die mehr
zu Gott uns wiese?
III.
Umdacht vom Lindengrün der
Citadelle,
Vom Traumesblick der Meerfluth
angeschmachtet,
In Staunen sinkt der Pilger
und betrachtet
Den Hafen hier und dort die
leuchtend helle
Stadt der Paläste, über deren
Schwelle,
Stolberg und Schiller, Ihr den
Freunden brachtet
Heimische Dichtkunst, während,
eh es nachtet,
Im Stahlschuh Klopstock flog
zur Musenquelle.
Ja, Königin der Inseln, du
erlabest
Den Fremdling willig, dein
sind Perlen, echte,
Dich schmückend von
Geschlechte zu Geschlechte.
Doch ob du Geist, ob Glanz, ob
Güte habest,
Dennoch wir zürnen, weil du
nimmer gabest
In deiner Brust Herberg dem
deutschen Rechte.
IV.
Der scharfe Nordost singt den
Edeltannen
Sein schneeverkündend
Winterlied, sie wiegen
Ihr Haupt vor ihm. Die wilden
Schwäne fliegen
Im Äther mit klangvollem
Flügelspannen;
Roth glüht das Schloß im
Frühlicht. Schon begannen
Die Rüden kratzend sich an’s
Pfühl zu schmiegen,
Drin wehmutsvoll Dianas Jünger
liegen,
Gefesselt noch von Bildern,
die zerrannen.
Der Jüngste träumt von einer
Fuchsdoublette,
Die ihm gwelungen sei am Waldessaume,
Und jählings treibt der Schuß
ihn aus dem Bette:
Zu spät! Dort schleicht er aus
dem Frühstücksraume,
Hungrig und sinnend, was vom
Spott ihn rette?
Freund Reineke betrog ihn
selbst im Traume.
V.
Die Jagd ist aus. Zur Strecke
ziehn die Gruppen
In’s hohe Laubdach
dunkelgrüner Kiefern,
Und Jeder fragt, was andre
Schützen liefern
Und wer sich heut als Meister
wird entpuppen?
Ihn freut beim Mahl die
Herzstärkung der Suppen;
Von Witzen frei, den kecken
Ungeziefern,
Labt ihn Madera, ihn der Geist
des tiefern
Schaumperlenzuges und der Neid
der Juppen.
Und spät am Abend, zwischen
Licht und Dünsten
Die Seele theilen, fröhnt er
Rednerkünsten,
Darob die Damen lächeln und
erbleichen.
Doch graue Herrn, die auf ihn
Blicke münzten,
Ihm flüstern zu, indem den
Bart sie streichen:
„Auch auf dem Anstand bist Du
ohne Gleichen.“
VI.
Die Sternnacht blitzet. Kalt
die Strahlen tauchen
Bis auf den Grund der dunklen
tiefen Wogen,
Vermählt dem Spiegelbild der
Fensterbogen,
Dran pfeifend her des
Nordwinds Grüße hauchen.
Nimrod ward müde, Fuchs und
Hochwild brauchen
Nicht Schutz noch Trutz, der
Feind ist abgezogen.
- Da sprüht es roth! Da
branden Flammenwogen
Rings um die Burg und ihre
Trümmer rauchen.
Hinbricht der Stolz von
Dänemark, die Mauer
Kaum blieb von Christians
Prachtcolosse,
Drum weinend steht ein ganzes
Volk in Trauer.
Und schon in Glücksburg
wiehern schwarze Rosse,
Durch seine Hallen geht ein
Todesschauer:
Deutschland erwacht und horcht
nach jenem Schlosse.
Ein Wald ergrünt hochstämmig,
vielverschlungen
Aus halbverblaßten Bildern mir
in’s Leben:
Auf stille Fluth und
Wasserrosen geben
Die breiten Wipfel ewge
Dämmerungen.
Vor Blockhausdörfern
flachsbehaarte Jungen
In Tonnen spielend auf und
nieder schweben,
Und wie ein Pfeil zum Markt
hin Böte streben,
Von schlanker Dirnen
Ruderkraft bezwungen.
Die Sprache fremd, gekleidet
gleich der Sylphe,
Die heimlich lockt in
Mondnachtabenteuer,
Auftauchen und verschwinden
sie im Schilfe.
So, Spreewald, blyhst du; nur
bleibt nicht geheuer,
Ob deine Pracht der Muse kam
zu Hilfe,
Ob zweier Augen blitzend
Schelmenfeuer.
Im gelben Spätlicht zwischen
Strom und Bergen
Auf waldumrauschten Kegel
glühn die Mauern
Der alten Burg; die Eppichranken
schauern
Ein Sterbelied an diesen
offnen Särgen,
Dem Riesengrab, verhöhnt von
eitlen Zwergen,
Die vornehm jene plumpe Welt
bedauern.
Wir aber heimlich lieben sie
und lauern
Stumm dem Bericht des
sylbengeizgen Fergen.
Ihm sagt’s Frau Pathe, deren
Ururahne
Den letzten Ritter sah zum
Thor ausreiten
Und dann zur Gruft zwei
bleiche Capellane
Des letzten Burgherrn letztes
Kind geleiten.
- Stromab uns treibt der
Ruderschlag im Kahne,
Stromauf der Geist in
stillgewordne Zeiten.
I.
Vorbei dem schweren Damast der
Gardinen
In’s Fenster schaut die
Sommervesperstunde:
Am Nußbaumschrank im tiefen
Hintergrunde
Die Löwenköpfe, glänzend warm
beschienen,
Verzerrn ihr Maus, indessen
über ihnen
Die dunklen Bilder flüstern
manche Kunde
Vom Hof des Kaisers, die wir
aus dem Munde
Großmütterleins, aus den
verschmitzten Mienen
Des silberlockgen Pförtners
kaum erfahren.
Hier liegt ein Ringlein, wem
von wem gegeben?
Hier eine Spieluhr, dort aus
seidnen Haaren
Ein Blumenkranz. Die
Sonnenstäubchen weben
Vergessenheit darüber hin seit
Jahren,
Heut diesem hier und künftig
unserm Leben.
II.
Lichtgrünes Dunkel überwölkt
den Rasen,
Der Park ist lautlos. Müde
Statuetten
Ihr morsches Haupt in’s tiefe
Gras herbetten,
Und Schlingkraut klettert
üppig um die Vasen.
Fort die Bewohner, hin die
Adlernasen,
Die Pfauenpracht der
schelmischen Coquetten,
Die, spinnend ihrer süßen
Anmuth Ketten,
Romane lebten, nicht Romane
lasen.
Jetzt in der Spur der rothen Absatzschuhe
Zurück zu ihren Tagen geht ein
echter
Sohn heutger Zeit, der aus des
Todes Truhe
Sich Leben schöpfet, unsres
Tags Verächter.
Die Wipfel ob ihm halten
Mittagsruhe
Und zärtlich girrt der
Turteltaub Gelächter.
III.
Und wo die Äste dichter sich
verschränken,
Wo Farrenkraut den
überwachsnen Steig
Unsichtbar macht, dort mühsam
durch’s Gezweig
Lockt Neugier uns die Schritte
hinzulenken:
Zum Erbbegräbnis. Von den
Ruhebänken
In’s Leere starrt kein Antlitz
schmerzensbleich,
Zwiefach entseelt ward dieses
Todtenreich,
Denn ob den Leibern starb ihr
Angedenken,
Und düster weht der Schwermuth
Moderduft.
- Da knarrt ein Pfortlein, und
wie Rosenprangen,
Wie Bienensummen, plötzlich an
die Gruft
Hold plaudernd kommt das Leben
hergegangen:
Ein Liebespaar sich neckt,
sich küßt, sich ruft,
Und über Freuden Trauerweiden
hangen.
Weil nun der Tag im
Donnergroll gestorben,
Die Sonnenwittib zündet ihre
Scheiter,
Und neiget auf den kalten
blassen Streiter
Ihr schönes Angesicht, bis
gluthumworben
Ihr wallend Haar im Feuermeer
verdorben.
Dann rückwärts tretend auf die
goldne Leiter,
Mit Lächeln sinket und
versinkt sie heiter,
Der Nachtwind rührt ihr
klagende Theorben.
Im dunkeln Strom die Fluthen
weinen leise,
im Walde zittert es von Baum
zu Baume,
Und, überthaut von Thränen,
schläft die Waise,
Die Erde jetzt. Manchmal
spricht sie im Traume
Vom Phönix, welcher schwebt
zum Ätherkreise
Aus seines Nestes weichem
Purpurflaume.
I.
Umrauscht von
Pinienfinsternis, umflossen
Vom Mondessilber, klimmt zum
Bergabhange
Hinan die Kutsche: Horch, mit
gellem Klange
Zuruft der Schwager seinen
müden Rossen;
Dann halten wir. Licht strömt
aus Erdgeschossen,
Die heißen Gäule schütteln
sich im Strange,
Die Fackeln tropfen und im
Nachtgesange
Im Halbschlaf liegt das Meer
dort hingegossen.
Wir sind in Terracina.
Fröstelnd leise,
Gedenken wir der schönen
Operntexte
Fra Diavolo’s und stimmen an die
Weise.
Doch was geschieht? Inzwischen
ach behexte
Sein Enkel uns die Köchin und
die Speise,
- Und Hunger war’s, der dies
Sonett Euch klexte.
II.
Vorwärts die Fahrt geht durch
die braungesttreckten
Pontischen Sümpfe: Starre
Wasser füllen
Mit Wolkenbildern sich, das
dumpfe Brüllen
Der Büffel und des Reihers
Kreischen weckten
Die Schlafenden, die sich mit
Träumen neckten.
Am Horizont, den Morgen zu enthüllen,
Frau Eos lacht aus gelben
Schleiertüllen:
Und im Südwest den Gipfel wir
entdeckten,
Auf dessen Haupt gleich einer
Turbanfeder
in klarster Luft des Rausches
Säule schwanket:
Seht den Vesuv! und hier seht
her: Aus jeder
Felsspalte hell in
Purpurflammen ranket
Die Cactusblüthe. Rollet
jetzt, ihr Räder,
Gen Napoli, nach dem die
Sehnsucht kranket!
III.
Wir sind am Ziel: Im
brausenden Geschwirre,
Das ebbt und schwillt von
Priestern, Mönchen, Laien,
Von Obstverkäufern und von
langen Reihen
Demüthger Karrn und goldner
Prachtgeschirre.
Oft stockt die Fahrt, ob sich
das Knäuel entwirre,
Dann stürmt sie vorwärts:
Gelbe Weiber schreien,
Der Fuhrmann schimpft sie –
und wir sind im Freien,
Am offnen Platz, drauf
Tambouringeklirre
Den Saltarello unermüdlich
reizet.
Dort vor dem Thor des „Gasthofs
ersten Ranges“
Der Pförtner sich in bunter
Kleidung spreizet:
Die Marmortreppen unhörbaren
Ganges
Betreten wir, und jetzt kein
Reichthum geizet
Der Table d’hote, des Schlafs
und des Gesanges.
IV.
Das Zwielicht eilt. Vesuv,
dein Auge düster
Die Nacht durchblitzt, die
über dich gesunken;
Bald löscht es aus, bald
mahnen seine Fuinken
An Kinderspiele, wenn im
Scheit der nüster
Das Glimmen stirbt. Sie sagen
dann „der Küster
Geht aus der Kirche.“ Strömend
niedertunken
Die Lavagluthen und sind
aufgetrunken
Vom Felsgeröll mit zischendem
Geflüster.
Wir ritten aufwärts, seit das
Licht der Sonnen
In violettem Purpur ging zur
Ruhe;
Am Thor des Klosters spendeten
die Nonnen
Lacrimae Christi, dann auf
starkem Schuhe
Zum Krater ging’s. Vulcan, aus
deinem Bronnen
Kredenzt der Tod, du nicht
Bescheid uns thue.
V.
Der Pilger aus linder
Mondnachtkühle
Plötzlich gebannt in
Einsamkeit und Schrecken:
Sein Traum des Fieber, seine
Wohnung – Decken,
Sein Lebenshauch – der Krankheit
Seufzerschwüle.
Die Hand, die zitternd
bleiche, rupft am Pfühle,
Das Auge stiert in’s glühe
Kohlenbecken,
Und Gegenwart, Zukunft,
Vergangnes necken
Rasch wechselnd ihn in höhnischem
Gewühle.
So blaßt die Zeit hin. Kämpfer
ihm zu Häupten
Sind Tod und Heimweh, wer sein
Engel würde?
Und die Genesung, über den
Betäubten
Ihr Antlitz neigend, trägt zu
Schiff die Bürde.
Bald her um ihn des Radschaums
Tropfen stäubten:
Er war gerettet, wie vom Wolf
die Hürde.
VI.
Die Thür steht offen, schwere
Düfte fließen
Vom Garten zum Kamine, leise
schwirren
Guitarrenklänge, die ein
Mädchen kirren,
Und Lichtes voll, Dianas
Schalen gießen
Die Sehnsucht her zu ruhn und
zu genießen.
Die blaue Meerfluth
schlummert; manchmal klirren
Die Anker, die im Lufthauch
sich verwirren,
Und still und schön des
Traumes Lilien sprießen.
in solchem Glanz war einst mir
aufgegangen
Der Weihnachtstag, an unserm
Baume glühten
Goldfrucht und Licht in
buntvermischtem Prangen.
Heut rings um mich
Decembernebel brüten,
Drum fragest Du, was stillt
mein Heimverlangen?
Dein Herz, mein Kind, und
Deines Kusses Blüthen.